Die Zukunft der Mainzer Minipressen-Messe
Mittwoch, 18. Januar 2012
28. Kommentar
Minipressenmesse im 21. Jahrhundert
Seit die MMPM an den Start gegangen ist, hat sich viel verändert. Die Bücher der Buchkünstler
sehen anders aus, die Publikationen der Kleinverlage und die der Buchkünstler unterscheiden sich
vermutlich heute sehr viel mehr voneinander, als sie es in den Anfangsjahren der MMPM taten. Das
Publikum hat sich verändert und damit auch dessen Sichtweisen und Kaufverhalten.
Aus Sicht des Buchkünstlers ergeben sich daraus durchaus Aspekte, die Anlass dazu geben, über
Veränderungen nachzudenken.
Die Kombination von Buchkunst und Kleinverlagen
Wer sich in den vergangenen Jahren die Angebote auf den Tischen in den Zelten angeschaut hat,
der wird vermutlich, wenn überhaupt dann nur einen sehr kleinen gemeinsamen Nenner gefunden
haben – am Ende sind es überwiegend Bücher, die hier angeboten werden. Ungefähr an dieser
Stelle hören die Gemeinsamkeiten auf. Das macht vor allem eines schwierig: das Marketing und die
Werbung für die Veranstaltung. Denn: es müssen zwangsläufig völlig unterschiedliche Zielgruppen
angesprochen werden. Mit einer Gesamtwerbekampagne ist es praktisch nicht möglich, alle
relevanten Gruppen gleichermaßen zielgerichtet anzusprechen. Und bei Werbung und
Öffentlichkeitsarbeit zweigleisig zu fahren, mit Schwerpunkt A „Buchkunst“ (Originalgraphik, Kunst,
Literatur, Illustration, Experimentelles Buch usw.) und Schwerpunkt B „Kleinverlage“ (Spezielle
Inhalte), dürfte die Mittel und Möglichkeiten der MMPM-Organistoren übersteigen.
Aspekte einer neuen Basis
Eine Aufgliederung der klassischen MMPM in zwei thematisch getrennte Veranstaltungen kommt
beiden Ausstellergruppen zugute. Eine eigene Veranstaltung für Kleinverlage profitiert von auf die
Zielgruppe zugeschnittener Werbung ebenso wie die Buchkunst davon profitiert, dass mit Hinweisen
auf die künstlerischen Aspekte der Bücher wie Originalillustrationen zielgerichtet ein z. B. an
druckgraphischen Werken interessiertes Käuferfeld angesprochen werden kann. Abgesehen davon
könnte sich auch die Option ergeben, der Messe ein buchkünstlerisches Symposium anzugliedern
mit Fachvorträgen und Vorführungen zu Drucktechniken, Typographie und ähnlichem. Vielleicht
lässt sich ja hier eine Kooperation mit der örtlichen Hochschule verwirklichen.
Es bleibt natürlich die Herkulesaufgabe, einer MMPM für Buchkunst den passenden Rahmen zu
geben, was hier zunächst einmal inhaltlich gemeint ist. Die Basis muss ein – genügend flexibler –
Rahmen sein, der Orientierung gibt, welcherlei Objekte auf der Messe zu finden sein werden. Wer in
der Buchkunst zugange ist, weiß: es gibt keine feste Definition dafür, was als Buchkunst oder
Künstlerbuch zu gelten hat und was nicht. Das „Wir müssen leider draußen bleiben“ wird schwierig
zu greifen sein. Es gibt Bücher von Pressendruckern (Bleisatz+Buchdruck), namentlich im
angelsächsischen Sprachraum, die in Auflagen von 200-300 nummerierten Exemplaren gedruckt
sind. Im FineArtPrinting werden Auflagen bis ca. 200 nummerierten und signierten Exemplaren
gefahren. Da sich im BookArts-Bereich zunehmend Fotobücher etablieren, sollten auch solche
neuen Entwicklungen (z. B. Fotobücher und FineArtPrinting) nicht aus dem Blick geraten. Es sind
neue Richtungen, die sich in der Buchkunst zeigen, und es ist jetzt der Moment, ihnen einen Platz
unter den klassischen Disziplinen einzuräumen, um die Messe überhaupt zeitgemäß ausrichten zu
können. Der Faktor, ob ein Werk limitiert, nummeriert und signiert ist und seine Auflage unter ca. 200
Exemplaren liegt, könnte möglicherweise eine erste Richtschnur sein, das einzugrenzen, was auf der
Messe ausgestellt und gekauft werden kann.
Eine weitere Frage stellt sich in Bezug auf die Dauer der Messe. Ist eine Messedauer von 4 Tagen
tatsächlich notwendig? Brauchen wir den „Ausstellervormittag“ am Freitag, der über weite
Strecken in der Praxis nicht das ist, wofür er gedacht war. Alternativ könnte erwogen werden, die
Messe am Freitag Abend mit einer Vernissage zu eröffnen und mit Samstag und Sonntag zwei volle
Messetage mit Rahmenprogramm (Fachvorträge und Lesungen) anzubieten. Die Verleihung des
VOStomps-Preises ließe sich dabei in die Vernissage oder das Rahmenprogramm integrieren.
Buchkunst im Zelt
Das war eine stimmige Idee für Werke, wie sie in den 1970er-Jahren gemacht wurden. Damals
wollte die Druck- und Buchkunst nicht den Eindruck des Etablierten wecken. Und ein Zelt war ein
demokratisches, ja basisdemokratisches Messe“gebäude“ und damit genau das Richtige.
Wer heute die Werke der Buchkünstler betrachtet, der sieht darunter üppige, mit hohem Aufwand
gemachte, zu recht teure Objekte. Da ist viel Zeit vergangen und viel Weg zurückgelegt seit den
Werken der frühen Jahre. Viele aktuelle Werke der Buchkunst wirken in einem Zelt fehl am Platz. Es
mutet merkwürdig an, derart kostbare Kunstwerke beinahe unter freiem Himmel anbieten zu
müssen bzw. anzusehen und zu kaufen. Da stimmt das Ambiente nicht mehr mit dem überein, was
Ziel und Zweck der Veranstaltung ist. Man fühlt einen Bruch in der Konzeption. Das soll nicht heißen,
dass sich Buchkunst nur in Häusern mit der Architektur z. B. einer Messe Karlsruhe anbieten ließe.
Mitnichten. Zwischen einem Zelt und einem architektonisch ehrgeizigen Messegebäude gibt es
Vieles, das sich eignen könnte. Nur: das Zelt ist sicher nicht mehr der ideale Veranstaltungsrahmen,
der er einmal war. Und das nicht nur wegen der Witterungsunbilden, vor denen das Zelt mitunter nur
unzureichend schützt. Das Zelt vermittelt in erster Linie eine Anmutung, die nicht (mehr) zu den
ausgestellten Objekten passt, und das ist entscheidend. Es ist ein bisschen so, als würde das Zelt
dem Besucher günstige Kleinigkeiten versprechen und könne dann sein Versprechen nicht einlösen.
Wir haben es bei den Kunden nicht mehr in erster Linie mit dem traditionellen Buchkunstsammler zu
tun, von denen mittlerweile nicht wenige in ihrem 8. Lebensjahrzehnt angelangt sind. Die
nachgewachsenen Buchkunstinteressierten sind in anderem Wertegefüge aufgewachsen.
Abgesehen davon gibt es in den meisten Messejahren das Problem, dass das Publikum die Zelte
meidet, weil durch eine gewittrig-heiße Wetterlage die Luft im Zelt schlecht und drückend wird.
Viele Besucher fliehen dann nach kurzer Zeit nach draußen, da sie sich außer Stande fühlen, sich die
Bücher in Ruhe anzuschauen.
MMPM als neue Plattform für Buchkunst
Seit die Frankfurter Buchmesse mit dem Jahr 2010 sich gezielt vom „Platz der Buchkunst“
verabschiedet hat, kann und muss das Terrain neu vermessen werden. Es werden die seit Jahren
dort bestehenden Geschäftsverbindungen einiger Künstler sicher sich noch einige Jahre halten
lassen. Die Buchmesse ist allerdings erklärterweise orientiert auf Lizenzhandel, moderne
Technologien und Big Business. Inwiefern vor diesem Hintergrund die Buchmesse in Frankfurt der
Buchkunst noch eine zeitgemäße Umgebung bieten kann bzw. dies in Zukunft leisten will, bleibt
abzuwarten – muss aber mit Skepsis betrachtet werden. Die hektische Atmosphäre in diesen
Messehallen war sicherlich schon seit einigen Jahren nicht mehr optimal für Werke, die es
verlangen, dass der Betrachter sich Zeit nimmt, in ihnen zu blättern. Es ist sicherlich auch nicht ideal,
Künstlerbücher, die für eine vernünftige Präsentation einen gewissen Platz brauchen, in extrem
teuren Messen anzubieten, da es den Etat vieler Künstler übersteigt, eine Koje mit entsprechender
Größe anzumieten. Hier sollte ein Ausstallungsambiente gefunden werden, das für den Künstler zwar
bezahlbar bleibt, dennoch aber ausreichend Möglichkeit zu einer angemessen stilvollen
Präsentation bietet.
Die MMPM hat daher im Moment die Chance, mit einer stimmigen Neukonzeption eine Lücke zu
füllen, die in Frankfurt im Oktober 2010 angefangen hat, sich zu bilden und von der man mit einer
gewissen Sicherheit annehmen kann, dass sie zum Loch weiterwachsen wird. Es muss befürchtet
werden, dass auch diejenigen Kollegen, die bisher noch ihre Heimat in der Frankfurter Buchmesse
sehen, diesen Standpunkt in wenigen Jahren werden überdenken müssen. Und es wäre mehr als nur
eine feine Sache, wenn dann – möglicherweise auch im realen und/oder virtuellen Netz mit
anderen Standorten - die MPM in der Gutenbergstadt Mainz da ist und den Ausstellern und
Liebhabern der Buchkünste eine zeitgemäße Heimat gibt.

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